Bosch und sein smartes System am eBike
Bosch hat sein eBike-System samt aller Komponenten und der App umgestellt. Was daran gut ist und warum ich nicht aus dem Häuschen bin.
Mein Rad von Kalkhoff wurde gestohlen und durch ein KTM ersetzt. Damit bin ich auch zwangsweise auf das neuere Bosch-System umgestiegen. Was ist neu am nun "smarten System"?
Der Akku
In den Rahmen integriert wird jetzt der PowerTube 750. Andere Größen gibt es nicht. Auf dem Papier also eine zwanzigprozentige Reichweitensteigerung zum zuvor größten Modell mit 625 Wattstunden, die lediglich durch ein hinzufügen weiterer Zellen erreicht wird. Dadurch wird das dicke Paket natürlich auch um 20% schwerer und wiegt jetzt stolze 4,4 Kilogramm.
Nach zwei Wochen der Nutzung kommt das mit der Reichweitensteigerung auch irgendwie nicht so ganz hin: Entweder ist der Verbrauch (trotz gleichem CX-Motor) ebenfalls gestiegen oder die Restreichweitenanzeige ist sehr pessimistisch.
Laden kann ich den Akku auch jetzt entweder im verbauten Zustand oder separat. KTM nutzt eine abschließbare Blende am Rahmen, während beim Kalkhoff Entice hierauf verzichtet wurde. Optisch und vom Handling gefällt mir die Lösung von KTM weniger, allerdings ist das Herausnehmen des Akkus deutlich weniger hakelig als beim Entice.
Das neue Bosch-System bringt selbstverständlich ein neues 4A-Ladeteil samt Stecker mit sich. Das alte schmeißt Ihr also bitte weg. Der Stecker ist erneut ein proprietäres Kunstwerk, bei dem man oben und unten nur schwer unterscheiden und wahrscheinlich nie auf Anhieb die richtige Position finden kann. Das Ladegerät an sich ist etwas kompakter und leichter.
Das erste Ladeerlebnis im verbauten Zustand war aufregend, denn offenbar wird nach dessen Beendigung einfach mal die volle Fahrradbeleuchtung eingeschaltet. Warum das so sein soll? Keine Ahnung. Macht das Sinn? Nein! Die Ladestandsanzeige ist für meinen Geschmack eine ausreichende Informationsquelle, die den betrieblichen Fahrradkeller nicht übertrieben beleuchtet und auch die Kollegen weniger irritiert. Stellt Euch mal vor, bei Elektro-Autos würde das so gemacht...
Die Steuer-Einheit
Während zuvor beim abgenommenen Display nichts mehr ging und das Fahrrad die Motorunterstützung versagte, läuft nun alles auch mit der Steuer-Einheit alleine. Sie wurde um den Ein/Aus-Schalter, die Lichtsteuerung sowie eine Ladestandsanzeige ergänzt und weist auch farblich auf die eingestellte Unterstützungsstufe hin. Sie ist ein ganzes Stück größer geworden und die Anordnung der Tasten hat sich leicht geändert, ist aber dennoch vertraut intuitiv und auch mit Handschuhen gut zu fassen. Auch die Bluetooth-Verbindung zum Handy läuft nun über diese Steuer-Einheit.
Das Display
Auch zuvor hatte ich ein Kiox-Display. Bei dem neuen Modell Kiox 300 sind die beiden Knöpfe (die einen fiesen Druckpunkt hatten) genauso weggefallen wie die USB-Schnittstelle. Dadurch ist das Teil mit weiterhin 2-Zoll Displaygröße deutlich leichter geworden und wird nun nicht mehr magnetisch, sondern mit einem Federmechanismus mit der Halterung verbunden. Während zuvor die einzelnen Display-Seiten individuell konfiguriert werden konnten, gibt es die Möglichkeit nicht mehr. Ebenfalls ist im smarten Zuge die dauerhafte Anzeige der Geschwindigkeit und Uhr sowie die Information zum Ladezustandes eines verbundenen Handys weggefallen. Aus meiner Sicht hat das Teil keinerlei Verbesserungen und ausschließlich Reduzierungen – immerhin kann es jetzt ja auch zuhause bleiben.
Die App
Kommen wir zum ultimativen Rückschritt. Es scheint ja normales Vorgehen zu sein, ohne Grund und in regelmäßigen Abständen einfach eine neue App auf den Markt zu werfen. Um die alte kümmert sich dann ein anderes Team oder gar keiner mehr. In meinem Fall aber ja egal, denn das Rad kann ja nur noch mit der neuen kommunizieren. Es gibt jetzt also eine COBI-App, eine eBike-Connect-App und die "smarteste" und neuste im Bunde, namens Flow. Bisherige Statistiken und Rekorde? Weg. Lieb gewonnene Funktionen, wie die Navigation? Gibts nicht. Laut Support besitze ich auf Nachfrage ein "smartes System, das sich ständig verbessert". In der Realität habe ich ein Bananenprodukt gekauft, bei denen die bisherigen Funktionen schlicht noch nicht wieder implementiert wurden.
Die Verbindung zum Rad wird nicht immer automatisch hergestellt, manchmal ist es erforderlich, dass die App zuvor gestartet wird. Das merkt man irgendwann während der Fahrt und hat dann die halbe Tour nicht aufgezeichnet. Während früher Touren teilweise gestückelt abgespeichert wurden, da eine längere Pause als Tour-Ende gewertet wurde, werden Touren jetzt gar nicht mehr automatisch beendet. Wenn in der App nicht auf "Tracking beenden" geklickt wird, ist der ganze Tag eine große Tour. Wie sich die Fahrmodi innerhalb einer Tour verteilen zeigt mir die App nicht mehr. Dafür kann ich diese jetzt individuell für das Fahrrad anpassen. Die somit einzige Mehrfunktion der App brauche ich nicht.
Fazit
Insgesamt dürfte es zusammenfassend nicht überraschen, dass ich das "smarte System" von Bosch eher ernüchternd finde. Realistisch besser sind lediglich der größere Akku sowie die Anzeige an der Steuer-Einheit. Alles andere sind Reduzierungen und Einschränkungen. Während die App ja noch besser werden und irgendwann eine Navigation am Kiox wieder ermöglichen kann, ist die Option des Ladens eines Handys via USB-Ausgang am Display einfach ersatzlos und dauerhaft gestrichen. Naheliegende Diebstahlschutz- oder Ortungsfunktionen bringt Bosch mit dem neuen System nicht. Könnte man den Ladevorgang mit einem Timer oder einer Kapazitätssteuerung beeinflussen - das wäre wirklich smart! Geht aber nicht.
Das Herzstück, der Performance-Line-CX-Motor, hat auf dem Papier übrigens die gleichen Werte wie zuvor und auch subjektiv keine Unterschiede zum Modell von vor knapp zwei Jahren.
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